HRT und Nährstoffe - was würde die Evolution tun?
Evolution und Anpassung: Ein ungelöstes Dilemma
Evolutionär betrachtet war unser Körper nie dafür vorgesehen, weit über 50 Jahre
hinaus zu leben. Unsere biologischen Systeme sind darauf ausgelegt, die
Fortpflanzung sicherzustellen – alles, was danach kommt, ist aus evolutionärer Sicht
zweitrangig. Die Anpassung an unsere moderne Lebensweise – mit spätem
Kinderwunsch, wenigen Kindern und einer deutlich längeren Lebenszeit – würde
schätzungsweise 100.000 Jahre dauern.
Unser Körper kennt unsere heutigen Lebensumstände nicht. Er ist immer noch auf die
„früheren“ biologischen Gegebenheiten ausgerichtet und wird viele Jahrtausende
brauchen, um sich entsprechend anzupassen. In der Zwischenzeit ist es kein
natürlicher Zustand, über Jahrzehnte ohne essentielle Hormone wie Östrogen und
Progesteron zu leben, denn diese Hormone wirken nicht nur für die Fortpflanzungen,
sondern noch an sehr vielen anderen Orten.
Die Herausforderung der Wechseljahre
Vielleicht wird der menschliche Körper eines Tages so angepasst sein, dass Frauen ihre
Kinder erst mit 25 oder später bekommen können und die fertile Phase bis ins Alter
von über 60 Jahren reicht. Doch derzeit erleben wir genau das Gegenteil: Mädchen
kommen durch bessere Ernährung immer früher in die Pubertät, was häufig mit
hormonellen Problemen einhergeht.
Diese Diskrepanz zeigt sich besonders deutlich im Leben junger Frauen: Ihr Körper ist
biologisch optimal auf eine Schwangerschaft vorbereitet – ihre Lebensrealität jedoch
ist davon weit entfernt. Schule, Studium, Karriere und Selbstverwirklichung stehen im
Fokus, nicht aber Kinder. Diese Kluft zwischen biologischer Reife und gesellschaftlichen
Anforderungen führt oft zu hormonellen Ungleichgewichten und seelischen
Belastungen.
Die Wechseljahre stellen in diesem Kontext kein „natürliches“ Phänomen dar, sondern
vielmehr ein evolutionäres Problem. Ich bewundere jede Frau, die diese Phase ohne
größere Beschwerden durchlebt. Doch die Mehrheit der Frauen leidet erheblich. Selbst
jene, die subjektiv kaum Symptome verspüren, erleben einen beschleunigten
Gesundheitsabbau durch den plötzlichen Hormonverlust.
Mehr als Hormone: Eine neue Sicht auf sich selbst
Der Umgang mit den Wechseljahren sollte natürlich nicht nur die individuelle
Supplementierung von Hormonen umfassen. Er sollte auch eine neue Perspektive auf
sich selbst und die kommenden Lebensjahre eröffnen.
Für Frauen beginnt der Übergang in eine nicht-fertile Zukunft meist deutlich früher als
bei Männern. Das wirft entscheidende Fragen auf:
• Wo stehe ich gerade?
• Was bleibt, wenn die Kinder groß sind und unsere Unterstützung nicht mehr
ständig brauchen?
• Bin ich zufrieden mit dem, was ich habe?
• Vor allem: Was könnte noch alles kommen?
Wir sollten so fit und gesund sein, dass wir mutig und selbstbewusst in die zweite
Lebenshälfte blicken können. Egal, ob wir Kinder haben oder nicht – es geht darum,
unser Potenzial zu erkennen und zu entfalten. Frauen sollten sich fragen:
• Wie erfüllend ist mein Job?
• Was gibt es noch, das mich begeistert?
• Warum sollte ich mich mit einem „okay“ zufriedengeben, wenn es großartig und
aufregend sein könnte?
Diese Lebensphase könnte sehr wohl ein Neubeginn sein, keine Zeit des Rückzugs.
Ohne die hormonellen Schwankungen, die uns in jüngeren Jahren oft emotional und
körperlich belasten, können wir in den Wechseljahren klarer und fokussierter werden.
Es ist eine Phase, in der Frauen mehr Raum finden könnten, um ihre eigenen Wünsche
und Ziele zu verfolgen. Diese Freiheit sollte genutzt werden, um die eigene Zukunft
mutig und kreativ zu planen, denn es sollte sich anfühlen, als wäre alles möglich –
und genau das ist es auch. Leider sind jedoch viele Frauen noch weit von diesem
Zustand entfernt und benötigen Unterstützung, um ihr volles Potenzial in dieser
Lebensphase zu entfalten.
Was würde die Evolution tun, wenn sie könnte?
Wenn die Evolution uns aktiv anpassen könnte, würde sie wahrscheinlich eine
minimale, aber konstante Hormonproduktion sicherstellen. Essentielle Hormone wie
Östrogen und Progesteron wären in ausreichender Menge vorhanden – individuell
abgestimmt und in einer gesunden Balance.
Doch die Evolution ist ein langsamer Prozess, und wir können es uns nicht leisten, auf
sie zu warten. Stattdessen liegt es in unserer Verantwortung, Lösungen zu finden. Wir
sollten die Debatte darüber, ob Frauen eine Hormonersatztherapie (HET) benötigen,
beenden und uns auf die richtige Umsetzung konzentrieren. Es ist längst überfällig,
umfassende und qualitativ hochwertige Studien zu bioidentischer HET durchzuführen –
insbesondere mit transdermalem Östrogen und mikronisiertem Progesteron. Es ist
schwer nachvollziehbar, warum diese Studien bisher fehlen, es sei denn, man
berücksichtigt mögliche finanzielle Interessen.
Warum Hormonersatztherapie eine Chance ist, kein Risiko
Wir brauchen Frauen, die mit Energie und Lebensfreude ihren Beitrag leisten können –
und nicht nur froh sind, den Tag überstanden zu haben. Gerade jetzt, mehr denn je,
brauchen wir starke, gesunde Frauen, die ihre Rolle in einer komplexen Welt
selbstbewusst wahrnehmen.
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